Montag, 13. Mai 2002
US-Amerikaner wirbt im Internet für Plattdeutsch
Radiosendungen über Internet – 27-Jähriger aus
Massachusetts stellt Liste zusammen – Eltern sind 1956 ausgewandert
Von unserem Redaktionsmitglied
Christian Döscher
Charlestown/Bremen. „Pott“,
„Appel“
und „Wi de Deuwel“ kannte
der 27-jährige Erik noch aus seiner
Kindheit. Ansonsten war ihm
die plattdeutsche Sprache fern.
Auch das Hochdeutsche musste
er erst mühsam in der Schule lernen.
Erik ist Amerikaner. Doch
durch ihn wird das Internet jetzt
zum Platt-Lautsprecher.
Erik Rauchs Eltern sind vor
mehr als 40 Jahren nach Amerika
ausgewandert. Seine Mutter kam
aus dem Sauerland, der Vater aus
Mecklenburg-Vorpommern. Platt
lernte Erik von seinen Eltern
nicht, abgesehen von „Pott“
(Topf), „Appel“ (Apfel) und „Wi
de Deuwel“ (Wie der Teufel).
Bei einem Deutschlandbesuch
in der Heimatstadt seines Vaters,
in Plau am See, traf Erik Rauch ältere
Menschen, die seinen 1956
ausgewanderten Vater noch gut
kannten. Die Alten sprachen plattdeutsch.
„Ich dachte, diese Sprache
sei längst ausgestorben“, erzählt
der Mathematiker. Erst später
erfuhr der in Charlestown, Massachusetts,
lebende Rauch, dass
auch junge Menschen in Deutschland
noch plattdeutsch sprechen.
Sein Interesse war geweckt –
auch aus beruflichen Gründen.
Der junge Doktorand am Massachusetts
Institute of Technology
(MIT) beschäftigt sich mit der biologischen
Artenvielfalt. Rauch:
„Ich sehe eine Analogie zwischen
der biologischen und der kulturellen
Vielfalt. Wenn es mehr kleine
Kulturen gibt, gibt es auch mehr
intellektuelle Vielfalt. Diese Ideen
können sich dann ausbreiten, so
dass auch größere Kulturen von
kleineren profitieren.“
Teil der intellektuellen Vielfalt
Die Vielfalt der Sprachen sei dabei
ein wichtiger Teil der intellektuellen
Vielfalt, denn Sprachen
seien mit Kulturen verbunden und
beeinflussten damit auch das Denken.
Rauch: „Insoweit tragen auch
kleine Sprachen wie Plattdeutsch
zur gemeinsamen Kultur Deutschlands
bei. Und davon profitieren
nicht nur die, die platt sprechen.“
Durch Radiosendungen im Internet
lernte Rauch, wie lebendig
das Plattdeutsche noch ist. Es entstand
die Idee, eine Liste mit plattdeutschen
Sendungen ins Internet
zu stellen, die regelmäßig im
World Wide Web (www) zu empfangen
sind – „von Grönland bis
Feuerland“, wie das Institut für
Niederdeutsche Sprache aus Bremen
begeistert feststellt.
Diese „akustischen Schätze“
entdeckte Rauch meistens selber
übers Internet. Besonders der
NDR („Hör mal ’n beten to“) zeigt
sich dabei fortschrittlich und stellt
alle Programme auch ins Internet.
„Viele Programme kamen aber
auch nach und nach durch die
Fans der Platt-Radio-Seite hinzu“,
sagt der 27-Jährige (http://swissnet.
ai.mit.edu/~rauch/plattradio.html). Über 25 Sendungen umfasst
die Liste – von den plattdeutschen
Nachrichten auf Radio Bremen
über die „Plappermöhl“ von
Radio MV (Mecklenburg-Vorpommern)
bis hin zu „Tösse sess an söwe“
(Zwischen 6 und 7) von Antenne
Niederrhein. Rauch: „Diese
Sendung produzieren ein paar
Leute freiwillig und senden sie auf
einem kleinen Lokalsender.“
Bis vor einem Jahr hatte Erik
Rauch so gut wie keine Plattdeutschkenntnisse,
„aber jetzt
kann ich die Radiosendungen gut
verstehen“. Un wi is dat mit dat
Snacken un Schrieven? „Gut sprechen
und schreiben kann ich noch
nicht. Meine Englischkenntnisse
helfen mir aber beim Lernen.
Plant, Week, beter und Foot scheinen
gar nicht fremd. Das erleichtert
manchmal auch die Aussprache.“
Dat mutt doch mit ‘n Düwel
togohn, wenn he dat ne in Tokunft
ok noch hinkregen deiht.